Scheinselbständigkeit… Wer schon einmal mit Ein-Personen-Unternehmen oder Selbständigen zu tun hatte, bekommt wahrscheinlich eine Gänsehaut beim Gedanken daran. Fast jeder kennt die Schreckensgeschichten, dass Unternehmen € 40.000 oder gar € 500.000 Strafe bezahlen mussten, nachdem sie mit Einzelunternehmer/innen zusammen gearbeitet haben. Und wir können Ihnen sagen: Diese Geschichten stimmen.
Wir zeigen Ihnen, wie Sie Aufträge auch an Ein-Personen-Unternehmer/innen vergeben können und sich nicht vor einer hohen Strafzahlung fürchten müssen. Doch was genau muss man tun um sich davor zu schützen? Und reicht es aus einen Werkvertrag abzuschließen um auf der sicheren Seite zu sein?
Der Werkvertrag
Als ersten Punkt nehmen wir den Werkvertrag genauer unter die Lupe.
Prinzipiell handelt es sich dann um einen Werkvertrag, wenn sich ein/e sogenannter Auftragnehmer/in dazu verpflichtet, für eine/n Auftraggeber/in, gegen ein gewisses Entgelt, ein Werk zu erstellen. Dieser Vertrag ist also ein Zielschuldverhältnis. Das zu erstellende Werk wird im Vertrag genau definiert, somit fällt der/dem Auftraggeber/in kein Recht zu, welches es diesem ermöglicht, Abänderungen der Definition vorzunehmen.
Der Dienstvertrag
Scheinselbständigkeit wird oft davon hergeleitet, dass der Werkvertrag eigentlich ein Dienstvertrag wäre. Daher ist es wichtig, eine genauere Vorstellung eines Dienstvertrages zu haben.
Konkret beschreibt ein Dienstvertrag ein Dauerschuldverhältnis, welches auf eine gewisse Zeit ausgelegt ist. Wichtig ist auch, dass bei einem Dienstvertrag die Arbeitnehmerin / der Arbeitnehmer in persönlicher Abhängigkeit der Arbeitgeberin / des Arbeitgebers steht. Dies zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass es zu Einschränkungen der persönlichen Freiheit der Arbeitnehmerin /des Arbeitnehmer wie vorgeschriebene Arbeitmittel, Ort oder Zeitpunkt der Arbeit kommt.
Es scheint also als wären beide Verträge klar definiert, jedoch spiegelt ein Vertrag nicht immer genau das wieder, was in der Realität gelebt wird. Daher ist es weitgehend irrelevant zur Klärung, ob Scheinselbstständigkeit vorliegt, um welchen Vertrag es sich handelt. Die ausschlaggebenden Punkte sind die tatsächliche Tätigkeit und die Art dieser Tätigkeit.
Aber, was sind denn eigentlich die Kriterien, die bestimmen, ob der abgeschlossene Werkvertrag nicht doch ein Dienstvertrages ist?
Generelle Vertretungsbefugnis
Zuerst einmal ist die persönliche Arbeitspflicht relevant. Diese ist ein essentieller Part eines Dienstvertrages. Fehlt diese, liegt automatisch kein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vor – es handelt sich also um Selbständigkeit.
Um nun eine unselbstständige von einer selbstständigen Erwerbstätigen zu unterscheiden, ist die generelle Vertretungsbefugnis ein ausschlaggebender Punkt, denn sollte diese vorhanden sein, wird die persönliche Arbeitspflicht automatisch ausgeschlossen.
Was genau ist die generelle Vertretungsbefugnis?
Eine generelle Vertretungsbefugnis liegt dann vor, wenn die/der Erwerbstätige dazu berechtigt ist, zu jeder Zeit und ohne einem bestimmten Grund, eine / einen geeignete/n Vertreter/in zu bestellen, welche/r die Leistung erbringt. Außerdem darf Betroffene ohne Verständigung der/des Auftraggebers/in Hilfskräfte heranziehen.
Nun könnte man denken: Wenn sich jemand bei Krankheit vertreten lassen darf, hat dieser die generelle Vertretungsbefugnis. Nein, dies ist nicht der Fall, denn die generelle Vertretungsbefugnis gilt nicht, wenn die/der Betroffene sich nur in bestimmten Einzelfällen – wie im Krankheitsfall – vertreten lassen darf.
Wichtig ist, dass selbst wenn eine generelle Vertretungsbefugnis im Vertrag festgelegt wurde, eine persönliche Arbeitspflicht nur dann ausgeschlossen wird, wenn die Vertretungsbefugnis tatsächlich gelebt wird oder zumindest bei Vertragsabschluss ernsthaft damit gerechnet werden konnte, dass von dieser Gebrauch gemacht werden würde. Der Sachverhalt wird also nach § 539a ASVG betrachtet, dieser sagt aus, dass der wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform zur Bewertung eines Sachverhaltes ausschlaggebend ist.
Zudem wird eine vereinbarte generelle Vertretungsbefugnis in Frage gestellt, wenn diese nicht mit der Unternehmensorganisation vereinbart wurde. Zum Beispiel sollte eine Einschulung zur Ausübung der Tätigkeit erforderlich sein, wäre die Vertretungsbefugnis bereits zweifelhaft.
Persönliche Unabhängigkeit
Um weiterhin sicher zu gehen, dass es sich nicht um Scheinselbständigkeit, sondern um echte Selbstständigkeit handelt, ist ein weiteres Kriterium nicht außer Acht zu lassen. Wesentlich um als selbstständig zu gelten ist die persönliche Unabhängigkeit.
Aber was genau ist die persönliche Unabhängigkeit und wodurch zeichnet sich diese aus?
Zuerst muss man sagen, dass die persönliche Unabhängigkeit in Zusammenhang mit der generellen Vertretungsbefugnis zu sehen ist. Darf man sich nicht von einer geeigneten Person vertreten lassen, ist man nicht unabhängig. Eine persönliche Unabhängigkeit besteht nur dann, wenn der Selbstständige keiner Weisung bezüglich seiner Arbeitszeit, seines Arbeitsortes und seines Arbeitsverhaltens unterliegt. Dies bedeutet also, dass die/der Auftraggeber/in nicht bestimmen kann, wo und wie der Auftrag erledigt wird. Als alleinige Ausnahme gilt, wenn die Erbringung der Leistung nur an einem bestimmten Ort möglich ist.
Zusätzlich zu den oben genannten Punkten unterliegt die / der Auftragnehmer/in ebenso keiner Kontrollbefugnis der / des Auftraggebers/in und wird nicht in den normalen Betrieb eingebunden.
Trotz dieser Vielzahl an Kriterien kann nicht immer eindeutig bestimmt werden, ob die / der Selbständige nicht doch persönlich vom Auftraggeber/in abhängig ist. In diesen Fällen hängt die Entscheidung von der Art des Entgeltes und der Entgeltleistung ab, um das Gesamtbild beurteilen zu können.
Man könnte nun meinen, dass ein / eine Selbständige gar keine Weisungen bekommen darf. das ist jedoch wiederum falsch: Dient eine fachliche Weisung der Herstellung des geforderten Werkes und treten diese vor der Auftragserteilung auf, dann sind diese Weisungen korrekt. Ein Anforderungskatalog, der an das Werk gestellt wird, wäre so ein Beispiel einer fachlichen Weisung.
Wann entsteht nun Scheinselbständigkeit?
Scheinselbständigkeit besteht, wenn ein selbstständiger Unternehmer Arbeit verrichtet, welche die eines Angestellten gleichkommt.
Die Unterscheidung zwischen Selbstständigen und Angestellten entsteht nicht durch die Bezeichnung des Vertrages, sondern durch die Art, wie das Arbeitsverhältnis gelebt wird und welche Art der Tätigkeit verrichtet wird.
Die Gründe für Scheinselbständigkeit
Von Seiten der Auftraggeber/innen wird eine unselbständige Beschäftigung als Angestellte/r oftmals umgangen um Sozialversicherungsbeiträge und Steuern zu sparen. Zudem kommt das Umgehen des Kündigungsschutzes. Häufiger kommt aber vor, dass es zu einer Scheinselbständigkeit durch Unwissenheit beider Beteiligter kommt.